Mea Culpa 2000

Vergebensbitte 2000

und Dokument der Internationalen Theologenkommission

"Erinnern und Versöhnen - 
Die Kirche und die Verfehlungen in ihrer Vergangenheit"

Meilensteine auf dem Weg:

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12. März 2000 - Vergebensbitte 2000 - Es war ein schlichtes Fürbitt-Gebet im Petersdom, aber zugleich eine "Geste von welthistorischer Bedeutung", ein "prophetischer Akt", vielleicht der wichtigste Vorgang des ganzen Pontifikats: In einem großen "Mea culpa" erflehte der Papst Vergebung vor Gott und den Menschen Vergebung für Fehler und Sünden gegen die Toleranz, gegen die Ökumene, gegen Frieden und Menschenrechte.

Die aus sieben Fürbitten bestehende große Vergebungsbitte war kein Tribunal, keine große Abrechnung mit einzelnen Personen, Gruppen oder Ideen. Es fiel kein Name, kein Hinweis auf Inquisition, Hexenverbrennungen, Kreuzzüge oder Galilei.

Sie sprachen grundsätzlich von "Methoden der Intoleranz", zu denen Christen beim Einsatz für die Wahrheit griffen. Sie beklagten, dass Christen statt der von Gott gewünschten Einheit Gegensätze und Spaltungen geschaffen hätten. Und sie bereuten, dass Christen allzu oft der "Logik der Gewalt" nachgegeben und andere Kulturen und religiösen Traditionen verachtet hätten.

Aber es blieb nicht überall bei Prinzipiellen. Neben der Judenfeindschaft wird auch feindseliges Verhalten gegen Einwanderer und Zigeuner aufgezählt. Es ging um die "Frauen, die allzu oft erniedrigt und ausgegrenzt werden". Diskriminierungen aufgrund von Rasse und Hautfarbe, an denen auch Christen Anteil hatten, werden in den Schuldkatalog einbezogen. Und konkret verweist die Kirche auf die "Minderjährigen, die missbraucht wurden", auf die Armen und Ausgegrenzten.

Es blieb nicht beim "Mea culpa". Der Papst forderte zur Kurskorrektur, zu Umkehr und Neuanfang auf: Die getrennten Christen sollten sich aussöhnen und im Dialog um die volle Einheit bemühen. Zwischen Juden und Christen möge "echte Brüderlichkeit" herrschen. Die Christen sollten sich für die Achtung der Kulturen und Völker und für gleiche Würde aller einsetzen.

Es ist nicht das erste "Mea culpa" eines Papstes. Schon Papst Hadrian VI. räumte nach Ausbruch der Reformation eine Mitschuld Roms und der Päpste ein, als er 1522 vor dem Reichstag in Nürnberg Missbräuche einbekannte. In einem historischen Schritt hatten 1965 der Konzilspapst Paul VI. und der orthodoxe Patriarch Athenagoras den gegenseitigen Bann aus dem Jahr 1054 zurückgezogen. Und auch Papst Johannes Paul II. hat vor allem seine Auslandsreisen zum "Mea culpa" genutzt: In der Tschechischen Republik bat er um Verzeihung für das Unrecht gegen die Protestanten während der Gegenreformation, er beklagte das Blutbad der Bartholomäusnacht von 1572. Er entschuldigte sich bei den Indianern in Lateinamerika, und in Afrika beklagte er - in besonders eindrucksvoller Weise auf der Insel Goree - den Sklavenhandel, an dem auch Christen beteiligt waren.

All diese Initiativen bündelte Johannes Paul II. nun entgegen massiver Bedenken seiner Mitarbeiter zu einer systematischen Vergebungsbitte (Wortlaut), die Vergebung erbittet und gewährt. Die prophetische, aber sorgfältig abgewogene und abgesicherte Geste des Papstes hat schließlich breiten kirchlichen Konsens gefunden.

Auch viele Bischöfe weltweit baten um Vergebung auf nationaler Ebene ...

Gleichzeitig müssten die Christen von heute ihre Verantwortung für Atheismus, religiöse Gleichgültigkeit, ethischen Relativismus, Verletzungen des Rechtes auf Leben, Desinteresse für die Armut so vieler Menschen einbekennen. Aber zugleich müssten die Christen auch jenen vergeben, die ihnen gegenüber Schuld auf sich geladen haben, sagte der Papst unter Hinweis auf die vielen Glaubensverfolgungen in der Geschichte.

In der gesamten Kirchengeschichte findet sich kein vergleichbarer Fall einer derartigen, von einem Papst selbst formulierten breiten Vergebungsbitte. Allerdings hat Johannes Paul II. mittlerweile in fast 100 Reden, Ansprachen oder Dokumenten für Irrtümer, Gewalt und Schuld von Mitgliedern der Kirche um Vergebung gebeten. Dabei bezog er sich immer wieder auf ähnliche Gesten seiner Vorgänger.

Paul VI. beließ es nicht nur bei Worten, sondern setzte in der ihm eigenen Art auf symbolische Gesten: So wurden geraubte Reliquien an die Ostkirchen zurückgegeben. Auch die Versteigerung der Papstkrone, der Tiara, zu Gunsten der Armen in der Welt beinhaltete eine derartige "Reinigung des Gewissens" der Kirche. Schließlich kniete Paul VI. 1975 am zehnten Jahrestag der wechselseitigen Aufhebung der Exkommunikation mit den Orthodoxen im Petersdom vor dem Gesandten des Patriarchen von Konstantinopel, Metropolit Meliton, nieder, um ihm die Füße zu küssen.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Bereitschaft, Schuld öffentlich einzugestehen, in dem Bekenntnis besiegelt: "Die Kirche ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immer fort den Weg der Buße und Erneuerung". Die historische Ausformung und Pointierung der einzelnen Verfehlungen sollte allerdings Papst Johannes Paul II. vorbehalten bleiben.

Das Leitmotiv: "Vergeben wir und bitten einander um Vergebung."

Die Bitte des Papstes um Vergebung für die Fehler von Christen sei ein herausragendes Ereignis der Kirchengeschichte, ein "geschichtlich einmaliger Akt", eine "großartige Tat", durch die Johannes Paul II. einen "Stein ins Rollen" brachte, so verschiedene Kommentare. Man müsse jetzt verstärkt der "Kernfrage" nachgehen, wie es "mit der Bibel in der Hand" möglich war, dass in der Kirche derartige Verfehlungen geschehen konnten, sagen Kirchenhistoriker. Sie erinnern daran, dass es neben dem "Sündenregister" der Kirche auch "ganz Großartiges" gegeben habe ...

"Die Verfehlungen der Vergangenheit anerkennen, trägt auch dazu bei, unser Gewissen angesichts der Herausforderungen der Gegenwart wieder zu wecken".

(Quellen: KAP)


Braucht Vergebung wirklich so viel Zeit ?

Wie schaut die Gegenwart de facto aus ?

Ist nun das Glas halb leer oder halb voll ?



Zusammengestellt von Prof. MMag. Margarete Grillmayr für den RU an der HBLW Wien 4 © 2000-2013