Inquisitions-Schuldbekenntnis: Es geht um "Schuld der Kirche"


Vatikanstadt, 5.11.98 (KAP) Christen und kirchliche Institutionen haben in den Methoden der Ketzerverfolgung die Botschaft Jesu verleugnet und entstellt. Dies solle jetzt in Form eines vatikanisches Schuldbekenntnisses, das sich mit der Inquisition befasst und zum bevorstehenden Jahr 2000 erscheinen wird, klar ausgesprochen werden, hat der luxemburgische katholische Historiker Victor Conzemius in einem "Kathpress"-Interview erklärt. Conzemius hatte als einziger deutschsprachiger Wissenschaftler an dem Historiker-Symposion im Vatikan zur Inquisition vom 29. bis 31. Oktober 1998 teilgenommen.

Was die Form des Schuldbekenntnisses angehe, das vom Papst gewollt sei, so solle es sich "von den vielen öffentlichen Entschuldigungen, wie sie derzeit in Mode sind", unterscheiden. Conzemius: "Es geht für die Kirche nicht darum, dass sie um Entschuldigung bittet, damit die Dinge gewissermaßen ungeschehen gemacht werden sollen. Vielmehr will der Papst, dass die Kirche einen neuen Umgang mit der eigenen Schuld erlernt, und das hat auch Konsequenzen für die Zukunft." Letztlich stehe hinter der päpstlichen Bitte die Scham darüber, dass in der Inquisition Christus und seine Botschaft verleugnet worden sei.

Wenn in der Presse zu lesen gewesen sei, das Wissenschaftlertreffen im Vatikan zur Inquisition sei ein "Ereignis von historischer Tragweite", so sei dies korrekt, erklärte Conzemius: "Vor 50 Jahren wäre undenkbar gewesen, dass sich im Vatikan auf Wunsch des Papstes Wissenschaftler offen und ohne apologetische Absicht mit dieser schwierigen Epoche der Kirchengeschichte befassen und die Frage stellen, wie es zu dieser Perversion des christlichen Auftrags kommen konnte. Denn eine Perversion war sie, weil die Botschaft Jesu Christi eine gewaltlose ist."

Conzemius betonte, dass bei der Tagung eine früher allgemein verbreitete, rein polemische Sicht der Inquisition, wie sie von einer antiklerikalen Geschichtsschreibung gefördert wurde, von einer differenzierteren Betrachtungsweise abgelöst worden sei. Unter den Historikern herrsche heute Konsens darüber, dass die Inquisition ein Irrweg war, aber nicht mit den Schreckensregimen der jüngsten Vergangenheit vergleichbar sei, erinnerte Conzemius. Denn die Inquisition habe in einigen Gegenden sogar zu einer Eindämmung der Hexenverbrennungen geführt. Sie habe somit auch Menschen das Leben gerettet. In den nördlichen Ländern Europas, wo es keine Inquisition gegeben habe, habe der Hexenwahn länger gewütet als dort, wo das Verfahren durch die Inquisition geregelt und begrenzt worden sei.

Dennoch müsse, trotz Korrekturen mancher Meinungen, auch ein Schuldbekenntnis erfolgen. "Anders als die Historiker darf sich die Kirche nicht darauf beschränken, alles aus den jeweiligen Zeitumständen heraus verstehen zu wollen. Die Kirche hat von Jesus Christus her einen überzeitlichen, absoluten Auftrag, an dem muss sie sich messen lassen. Und dabei stellt sich heraus, dass sie in der Geschichte nicht nur in einzelnen Personen, sondern auch als Institution immer wieder sündhaft und heilig zugleich war", so Conzemius.

 

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