"Erinnern und Versöhnen - Die Kirche und die Verfehlungen in ihrer Vergangenheit"


In dem theologischen Grundsatzpapier wird begründet, warum die Kirche um Vergebung für vergangene Verfehlungen bittet und was dies theologisch bedeutet.

Das Dokument ist das Ergebnis eines langwierigen Diskussionsprozesses. So tagte die Internationale Theologenkommission bereits im Jahr 1998 zwei Mal mehrere Tage lang, ohne zu einem schlüssigen Ergebnis zu kommen. Den Durchbruch bereitete der italienische Theologe Bruno Forte offenbar mit dem Papier einer Unterkommission vor, das Ende November 1999 vom Plenum der Kommission beraten wurde.
Die Internationale Theologenkommission ist ein offizielles Beraterorgan des Heiligen Stuhls in theologischen Grundsatzfragen. Sie besteht aus rund 30 Theologen aus allen Erdteilen und wird vom Präfekten der Glaubenskongregation, derzeit Kardinal Joseph Ratzinger, geleitet. Zu den Mitgliedern der Kommission gehört auch der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn.

Der Münchner Dogmatiker Prof. Gerhard Ludwig Müller - Mitglied der Internationalen Theologenkommission und Herausgeber der deutschen Ausgabe der etwa 100 Seiten umfassenden Stellungnahme der Theologenkommission zu der Vergebungsbitte des Papstes, die unter dem Titel "Erinnern und Versöhnen" erschienen ist - sagte, die Versöhnungsbitte sei durchaus spektakulär, da sie "etwas wirklich Einmaliges ist". Bisher habe sich keine Institution, die auf eine viele Jahrhunderte währende Geschichte zurückschaue und sich auch mit Fehlentwicklungen auseinandersetze, getraut, "eine derartige Form von Selbstkritik öffentlich vor der Welt zu vollziehen". Das sei ein Akt der Glaubensstärke und nicht der Schwäche "oder irgendwelcher propagandistischer Tricks, um Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen".

Die Theologenkommission geht auf die von Johannes Paul II. bereits in seinem Apostolischen Schreiben "Tertio Millennio Adveniente" 1994 angesprochenen "Methoden der Intoleranz oder sogar der Gewalt im Dienst an der Wahrheit" ein. Dabei habe es Formen der Evangelisierung gegeben, die zur Verkündigung ungeeignet gewesen seien. Zum Teil sei das Evangelium "ohne Gespür für die kulturellen Werte der Völker propagiert" worden. Zu bedauern sei auch "mangelnder Respekt vor dem Gewissen" jener, denen man den Glauben vorgelegt habe. Zudem heißt es in der Stellungnahme: "Verwerflich war jede Form der Gewaltausübung im Kampf gegen Irrtümer."

Die "Reinigung des Gedächtnisses", die im wechselseitigen Vergeben der Sünden und Beleidigungen in der Gegenwart kulminiert, wird als Versuch gewertet, aus dem persönlichen und gemeinschaftlichen Bewusstsein alle Formen von Ressentiment und Gewalt zu überwinden, welche die Vergangenheit als Erbe hinterlassen hat, und somit den "Weg zur Erneuerung des moralischen Handelns" in der Gegenwart zu eröffnen.

(Quellen: KAP)


Wortlaut des Originaldokuments "Memory and Reconciliation: The Church and the Faults of the Past" (Englisch)

Auf Deutsch ist der Text im Johannes-Verlag Einsiedeln erschienen.

Ein weiterer Buchtipp: "Wenn der Papst um Vergebung bittet". Darin beschäftigt sich der Vatikan-Spezialist Luigi Accattoli mit Vergebungsbitten von Johannes Paul II. in den vergangenen Jahren. Das Buch ist im Innsbrucker Verlag Tyrolia erschienen.


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