Das Hohelied der Liebe

besteht aus 52 lose zusammenhängenden Liedern und Aussprüchen, die die menschliche Liebe zum Gegenstand haben. Sie werden König Salomon zugeschrieben, jedoch nicht im Sinne von historischer Quellenangabe, sondern als Bezugspunkt für das Entstehungsmilieu und die Entstehungszeit der Texte. Als Zeit der beginnenden Sammlung der Lieder ist der Zeitraum zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert vor Chr. wahrscheinlich.

Das Hohelied der Liebe kommt in den Schriftlesungen der katholischen Liturgie überhaupt nicht vor. Zudem wurden die Texte beinahe seit Beginn der 2000-jährigen Kirchengeschichte und bis in unser Jahrhundert zu Unrecht allegorisch ausgelegt und als Beziehung Christus-Kirche, Christus-Maria oder Christus-Einzelseele gedeutet. Dennoch kann von einer seriösen Bibelinterpretation heute nicht mehr geleugnet werden, dass sich in den Bildern und Metaphern des alttestamentlichen Buches die Sehnsuchts-, Schmerz- und Glückserfahrungen und -empfindungen von menschlich und geschlechtlich liebenden Partnern spiegeln.
Das Hohelied plädiert für Partnerschaft, Gleichberechtigung und Personalität der Liebe (2,16; 6,3) und bindet sie an die absolute Ausschließlichkeit (6,9), Treue (8,6) und Selbstbewahrung für den Partner (4,12). Verherrlicht und offen, aber zugleich ehrfürchtig beschrieben wird die Schönheit von Mädchen und Jungen. Damit zusammen wird der Liebesgenuss selbstverständlich befürwortet (7,7.11; vgl. 2,3; 3,2) und zwar als etwas, das seinen Sinn in sich selber trägt: als die den Liebenden gewährte Erfüllung ihrer Beziehung (2,3; 4,13.16; 8,11.12).
Wie haben es im Hohenlied mit zwei unverheirateten jungen Menschen zu tun. Und nichts im Text lässt darauf schließen, dass sie daran denken, eine Ehe einzugehen. Ihre Liebe ist durch keine Institution gesichert. Sie hat ihren Wert und ihre Bedeutung in sich. Dennoch befürwortet die Bibel keine unverbindliche Sexualbeziehung. Die beiden Liebenden bekennen sich zu einer persönlichen und ausschließlichen Liebe. "Mein Geliebter ist mein und ich bin sein", beteuert das Mädchen immer wieder (2,16; 6,3; 7,11). Die personale Beziehung ist in der Liebe entscheidend. Sie bestimmt ihre moralische Qualität. Das gibt das Hohelied ganz dezidiert zu verstehen.
Alle Sinne werden aktiviert. Ein Fest der Sinne ist die Liebe. Sie hat etwas zu tun mit Ekstase, mit Außer-sich-sein, mit Grenzerfahrungen des Lebens, an denen ich dem überweltlich Erhabenen, dem Unbegreiflichen, dem Göttlichen begegne.

Vgl.: Das Hohelied der Liebe, Bibel heute Nr. 118, Zeitschrift des Kath. Bibelwerks 2/1994 und G. Krinetzki, Hoheslied. Die neue Echter Bibel, Würzburg 1980


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